Internationales Recruiting ist inzwischen für viele Unternehmen ein Muss, um geeignete Talente für ihre Bedürfnisse zu finden. Doch die Rekrutierung im Ausland kommt mit ganz eigenen Fallstricken und Anforderungen, deren sich Unternehmen bewusst sein müssen, daher. head for work Gründer Denis Drago hat in seinem alltäglichen Berufsleben als Personalberater, Recruiter und Unternehmensleiter die entsprechenden Erfahrungen gemacht und kennt die Kernunterschiede. In unserer Übersicht erkärt er, was das Auslands-Recruiting besonders macht, wie man die Kommunikation und das Onboarding handhabt und welche Rolle dabei die Remote-Arbeit und das Remote-Recruiting spielen.
Recruiting im internationalen Kontext: Herausforderungen und Chancen
Kernunterschiede: Von rechtlichen Fallstricken bis zu Remote-Interviews
Rekrutierung von Kandidaten aus dem Ausland kommt häufig mit einem höheren Rechts- und Verwaltungsaufwand daher. „Internationale Einstellungen beinhalten meist Visa-, Arbeits- und steuerrechtliche Fragen: lokale Einstellungen laufen administrativ meist schneller“, erklärt Denis Drago. Über die genauen Visabestimmungen für die einzelnen Länder kann man sich beim Auswärtigen Amt erkundigen. Einfacher ist dies bei einer Rekrutierung im europäischen Ausland, denn für Mitglieder der EU, des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz fällt die Visapflicht weg.

Unternehmen sollten also stets prüfen, ob Kandidaten alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, um einen Arbeitsvertrag in Deutschland anzunehmen und nach Deutschland umzuziehen. Dazu gehören:
- Visa & Arbeitserlaubnis: Sind alle Voraussetzungen wie notwendige Qualifikationen oder Mindestgehalt erfüllt? Wie lange ist die Bearbeitungsdauer? Eine lange Bearbeitungsfrist kann eine Einstellung verzögern.
- Arbeitsrecht: Unterschiedliche Länder haben unterschiedliche Vorschriften hinsichtlich Kündigungsfristen, Mindesturlaub oder Tarifverträgen. Dies spielt besonders eine Rolle, wenn man einen Mitarbeiter remote im Ausland einstellt, da hier gegebenenfalls andere rechtliche Voraussetzungen als am Unternehmensstandort gelten.
- Sozialversicherung & Steuern: Hier spielen Faktoren wie das Doppelbesteuerungsabkommen und Entsendungsregeln eine Rolle. Zudem müssen neue Mitarbeiter bei der Sozialversicherung gemeldet werden und sie brauchen als Mitarbeiter aus dem Ausland erstmal eine deutsche Sozialversicherungsnummer. Die deutsche Bürokratie kann hier sehr verwirrend sein und man sollte neuen Mitarbeiter entsprechende Hilfe zur Hand geben.
- Datenschutz & Compliance: Auch hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten gelten unterschiedliche Bestimmungen. Hier muss man nicht nur deutsche Gesetze wie die DSGVO beachten, sondern auch die Bestimmungen im Heimatland der Kandidaten.
- Arbeitsrechtliche Besonderheiten: Unternehmen müssen darüber hinaus alle rechtlichen Bestimmungen hinsichtlich Probezeit, befristeter Verträge oder Ausfall aufgrund von Krankheit und Mutterschutz kennen.
Visakosten und rechtliche Aspekte für Unternehmen
Die Kosten sind variable und fallabhängig. Man sollte aber grundsätzlich damit rechnen, dass Visagebühren und administrative Kosten anfallen, die von wenigen 100 € bis zu mehreren 1000 € reichen können – ja nach Land und Visumstyp. Wer die Bearbeitungszeit verringern möchte, der muss mit Expressgebühren rechnen, die weitere Zusatzkosten verursachen können. Darüber hinaus fallen Rechts- und Steuerberatungskosten an, die ebenfalls zwischen ein paar hundert und mehreren tausend Euros liegen können. Wer Mitarbeiter aus dem Ausland anziehen möchte, der sollte zudem die Kosten für Umzug und Relocation tragen. Diese liegen normalerweise zwischen 1000 € und 10.000 € plus.
Neben diesen Kosten und Gebühren, sollte man auch die externen und internen Recruiting-Kosten beachten. Personalbeartungen berechnen in der Regel Vermittlungsgebühren von 30 bis 35 % des Jahresbruttogehalts. Auch für das spätere Onboarding und die Integration in das Unternehmen fallen möglicherweise Kosten an. Denis Drago nennt hier Kosten für Sprachkurse, Equipment und gegebenenfalls temporäre Unterbringung. „Das sind grobe Richtwerte“, sagt Denis Drago. „Die Kosten sind stark abhängig vom Zielland, dem Visumstyp, Seniorität und individuellen Vereinbarungen. Für exakte Kosten ist immer eine länderspezifische Prüfung nötig.“
Ein großer Bewerberpool bringt Vorteile und neue Herausforderungen
Ein großer Vorteil des Recruitings über Ländergrenzen hinweg ist der größere Talentpool. Die Größe des Talentpools macht es aber auch komplizierter. „Internationales Recruiting eröffnet größere, oft spezialisiertere Pools — dafür ist das Sourcing komplexer”, macht Denis Drago deutlich. Deshalb brauchen Recruiter in internationalen Märkten besondere Kenntnisse und Erfahrungen. Dazu gehören das Wissen, welche Plattformen oder internationale Jobboards sich für das Recruiting eignen. Gute Netzwerke sind ebenfalls notwendig, um schnell geeignete Kandidaten zu finden und anzusprechen. Modernes Recruiting wartet nicht darauf, dass Kandidaten sich auf Stellenausschreibungen bewerben, sondern spricht gezielt potentielle neue Mitarbeiter an. Nur so können Unternehmen im Wettbewerb um die besten Talente erfolgreich sein.
Haben Recruiter einen geeigneten Kandidaten gefunden, dann stellt auch der weitere Bewerbungsprozess neue Herausforderungen. „Interviews, Assessments und Jobverhandlungen laufen oft Remote und über Zeitzonen hinweg”, erklärt Denis Drago. Daher braucht es eine besonders klare Kommunikation und gut strukturierte Prozesse. Dazu gehört es auch, regelmäßige Rückmeldung zu geben und Kandidaten über den Ablauf und Stand des Bewerbungsprozesses auf dem Laufenden zu halten. Bereits im Bewerbungsprozess beginnt die Employee Experience, also die Erfahrung, die Mitarbeiter mit einem Unternehmen machen und welchen – positiven oder negativen – Eindruck sie von einem Unternehmen gewinnen.
Onboarding und Integration: Kulturelle Unterschiede beachten
Das Remote- oder grenzenüberschreitende Onboarding erfordert ebenfalls zusätzliche Maßnahmen, erklärt Denis Drago und nennt hier neben der Relocation und steuerlichen Aspekten auch eine kulturelle Einführung. Dazu gehört es bereits währen der Rekrutierung das Employer Branding für andere Märkte zu übersetzen und verständlich zu machen. Kandidaten müssen verstehen, wofür ein Unternehmmen steht und was es von Mitarbeitern erwartet. Darüber hinaus muss es deutlich machen, welche Vorteile ein Job im Unternehmen bietet. Beispielsweise hinsichtlich der Benefits oder Programme, die über das reine Gehalt hinausgehen.
Einer der schwierigsten Aspekte eines internationalen Recruitings ist die Überwindung sprachlicher Barrieren: Unterschiedliche Muttersprachen und Fachjargon können schnell zu Missverständnissen führen. Daher sollten Unternehmen sicher gehen, dass neue Mitarbeiter aus dem Ausland entweder bereits gut deutsch sprechen oder entsprechende Sprachkurse organisieren. Sprechen Mitarbeiter in deutschen Unternehmen fließend Englisch, dann kann das die Sprachbarrieren bereits reduzieren, da Englisch noch immer weltweit als die Wirtschaftssprache Nummer 1 gilt.
Neben sprachlichen Barrieren können kulturelle Unterschiede zu Fallstricken bei der Rekrutierung im Ausland werden. Denis Drago nennt bei den kulturellen Unterschieden „unterschiedliche Arbeitsstile (direkt vs. indirekt), Erwartungen an die Hierarchie, Pünktlichkeit, Feedback-Kultur und den Umgang mit Deadlines“. Er verweist zudem auf unterschiedliche Kommunikationsgewohnheiten wie „Präferenzen für asynchrone vs. synchrone Kommunikation“. Auch hinsichtlich sozialer Normen gibt es Unterschiede, wie beispielsweis Feiertage, normale Arbeitszeiten oder die Trennung von Beruflichem und Privatem.
Beim Onboarding bietet sich hier die Chance, nicht nur die Arbeitsweise im deutschen Unternehmen zu verstehen, sondern auch die Arbeitsweise und den kulturellen Kontext des neuen Kollegen kennenzulernen. Neue kulturelle Einflüsse können eine Bereicherung für das Unternehmen sein und neue Ideen einbringen. Dafür muss man sie aber kennen und anerkennen. Wer kulturelle Unterschiede ignoriert und erwartet, dass ein neuer Mitarbeiter sich automatisch an die altbekannte Arbeitsweise im Unternehmen anpasst, riskiert langfristig Missverständnisse, Probleme und Unzufriedenheit auf allen Seiten.
Denis Drago empfiehlt daher praktische Maßnahmen von Anfang an:
- Sprache: Man sollte die Mindestanforderungen bereits im Bewerbungsverfahren klar definieren und bei Bedarf Sprachtests integrieren. Beim Onboarding kann es sinnvoll sein, ein Sprachcoaching anzubieten.
- Kulturelles Training: Interkulturelle Trainings für Hiring Manager und das Team können helfen, kulturelle Barrieren zu überwinden.
- Strukturierte Kommunikation: Meeting-Agenda, klare Dokumentation, schriftliche Zusammenfassungen, gemeinsame Tools (z. B. Slack, Confluence) schaffen klare Kommunikationsstrukturen für neue – und gestandene – Mitarbeiter.
- Mentoring- und Buddy-System: Um den Übergang zu erleichtern können Unternehmen einen lokalen „Buddy“ zur Verfügung stellen, der neuen Mitarbeitern bei kulturellen Fragen hilft.
- Management der Erwartungen: Klare Ziele, KPIs und Zeitpläne sollte man schriftlich festhalten.
Beim Bewerbungsverfahren und dem Onboarding braucht man einen klaren Plan, der dabei hilft, neue Mitarbeiter zu integrieren. Das gilt nicht nur für Mitarbeiter aus dem internationalen Ausland. Hier ist unsere Checkliste:
- Onboarding-Checkliste (international)
- Vor dem Start:
- Arbeitsvertrag & Visumsunterlagen finalisieren
- Relocation-Checkliste (Reise, Wohnung, Anmeldung)
- IT-Equipment & Zugänge bereitstellen
- Onboarding-Plan & Plan für die ersten 30/60/90 Tage senden
- Erster Arbeitstag:
- Welcome-Call mit HR und Team-Intro
- Check-in zu administrativen Punkten (Bank, Steuern, Versicherungen)
- Erste Wochen:
- Klare Ziele & erste Aufgaben festlegen; anfangs kurze tägliche/zweitägige Syncs einplanen
- Buddy für kulturelle Fragen
- Bei Bedarf Sprach- und Kulturunterstützung
- Nach 1–3 Monaten:
- Review-Meeting
- Feedback einholen
- Entwicklungspfade besprechen
Remote-Arbeit erleichtert die internationale Rekrutierung von Mitarbeitern
Remote-Arbeit spielt beim internationalen Recruiting eine besondere Rolle, da die Remote-Arbeit zusätzliche Flexibilität beim Recruiting bietet. Kandidaten müssen beispielsweise nicht sofort umziehen, sondern können den neuen Job an einem altbekannten Ort beginnen. Das ist besonders hilfreich, wenn sie familiär gebunden sind und nicht einfach die Koffer packen und in ein neues Land ziehen können. „Hybride Modelle sind ein guter Kompromiss”, sagt Denis Drago. So können Mitarbeiter beispielsweise den neuen Job zunächst im Heimatland antreten und später – beispielsweise nach Ende der Probezeit – an den Unternehmensstandort umziehen. Bei der Remote-Arbeit gilt es allerdings besondere rechtliche Vorgaben zu beachten: „Langfristige Remote-Arbeite aus einem anderen Land kann steuerliche und arbeitgeberseitige Verpflichtungen auslösen, zum Beispiel hinsichtlich der „Betriebsstätte“, erklärt Denis Drago. Man sollte dies also zeitnah prüfen und sich dazu professionelle Beratung einholen.
Zusammenfassung: Darauf sollten Personalberater, Recruiter und Unternehmen achten
Um diese Erkenntnisse noch einmal zusammenzufassen: Unternehmen und Recruiter sollten stets auf eine klare Rollendefinition und ein Erwartungsmanagement hinsichtlich Arbeitszeiten, Reporting und Karrierepfad achten. Alle rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Visa, Arbeitserlaubnis und Sozialversicherung sollte man rechtzeitig im Voraus prüfen. Zudem ist eine realistische Zeit- und Budgetplanung wichtig. Um wirklich erfolgreich zu sein, braucht es zudem einer lokalisierten Ansprache, die die Sprache, Kultur und ein marktübliches Gehaltspaket beinhaltet.
Denis Drago hat sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit dem internationalen Recruiting gemacht. Zu den negativen Aspekten gehört eine lange Time-to-Hire und unerwartete Kosten: “Visa- und Relocation-Prozesse verzögern Starttermine”, sagt Denis Drago und verweist zudem auf die Kosten für Verwaltung, rechtliche Beratung und Umzüge. Auch kulturelle Reibungen können für Probleme sorgen: “Fehlende Erwartungsklärung kann zu Konflikten führen.” Zudem ist das Abbruchrisiko relativ hoch und Kandidaten entscheiden sich manchmal kurzfristig anders, insbesondere wenn es komplizierte Visa-Prozesse oder familiäre Bindungen im Herkunftsland gibt. Viele Unternehmen sind zudem von der administrativen Komplexität überfordert, denn Steuern, Gehalt und lokale Meldungen können sehr aufwendig sein.
Positiv ist auf der anderen Seite der bessere Zugang zu Spezialwissen und eine einfachere Besetzung sehr spezialisierter Rollen. Internationales Recruiting führt laut Denis Drago zudem zu mehr Diversität und Innovation, denn neue Mitarbeiter aus dem Ausland bringen häufig neue Perspektiven, eine höhere Kreativität und gute Problemlösungsfähigkeiten in das Unternehmen ein. Für Unternehmen bedeutet das internationale Recruiting zudem ein stärkeres Employer Branding: „Unternehmen werden attraktiver, wenn sie sich international aufstellen.“ Wenn es Unternehmen gelingt Mitarbeiter aus dem Ausland tatsächlich für ein Unternehmen zu gewinnen, dann erfreuen sie sich häufig einer langfristigen Unternehmensbindung. „Kandidaten, die international wechseln, sind oft hoch motivierte und loyale Mitarbeitende”, sagt Denis Drago.
All dies müssen Unternehmen beachten, wenn sie sich nach neuen Mitarbeitern im Ausland umschauen. Es ist ein komplizierter und häufig langfristiger Prozess, kann aber sehr bereichernd sein und ggf. ein klarer Wettbewerbsvorteil im Kampf um die besten Fachkräfte.