Londoner Studie: Gehaltsvergleich kann psychisch und körperlich weh tun.
Die Forscherin und Psychologin Dr. Lucía Macchia untersuchte dieses Phänomen bei Menschen weltweit, sowohl in entwickelten, wie auch weniger entwickelten Ländern. Die Studie basiert auf Daten des World Gallup Poll (GWP) der Jahre 2009 – 2018 und bezieht die Antworten von rund 1,3 Millionen Erwachsenen aus 146 Ländern mit ein. Die Befragten beantworteten, was ihr monatliches Haushaltseinkommen ist, geteilt durch die Anzahl der Haushaltsmitglieder, um das persönliche Einkommen festzulegen. Ergänzend wurde ihnen die Frage gestellt, ob sie am Tag vor der Befragung irgendwelche körperlichen Schmerzen hatten. Schmerz ist dabei definiert als das Gefühl, dass der Körper weh tut, ohne dass tatsächlich eine Verletzung vorliegt. Darunter fallen zum Beispiel chronische Schmerzen. Basierend auf den Befragungsdaten entwickelten die Forscher ein lineares Regressionsmodell. Vereinfacht gesprochen versucht eine lineare Regressionsanalyse durch ein statistisches Verfahren eine abhängige Variable durch mehrere andere unabhängige Variablen zu erklären. Die theoretische Grundlage für die Studie liegt in der relativen Deprivation. Diese Theorie geht davon aus, dass das Verhalten von Individuen stark von der Erfahrung von Benachteiligung und Ausgrenzung geprägt ist.
Studienergebnis: Körperliche Schmerzen aufgrund von einkommensbedingtem Stress
Das Ergebnis der Analyse: Je weniger jemand in Relation zu der Vergleichsgruppe verdient, desto mehr verspürten die Befragten körperliche Schmerzen. Wenn man einen Gehaltsvergleich mit Kolleg*innen macht und der eigenen Berufsgruppe vergleicht, kann das negative Gefühle auslösen, wenn man selbst unter dem Einkommensdurchschnitt liegt. Diese negativen Emotionen können dann durch den anhaltenden Stress sogar zu körperlichen Schmerzen führen. Bei geringeren Einkommensgruppen ist dieses Risiko vergleichsweise erhöht.
Was die genaue Ursache ist, ist allerdings nicht eindeutig geklärt. Es kann mit dem Gefühl zusammenhängen, dass man im Vergleich mit den Kolleg*innen zu kurz kommt und des wohlverdienten Einkommens beraubt wird. Auch das Ansehen in der Gesellschaft und soziale Mobilität mögen dabei eine Rolle spielen. Neid, Frust und Enttäuschung sind Stressfaktoren und hält dieser Stress über einen längeren Zeitraum an, weil man in der beruflichen Situation gefangen ist, dann kann das zu psychosomatischen Schmerzen und chronischen Erkrankungen führen.
Chronische Schmerzen als Gesellschaftsproblem
Chronische Schmerzen haben sich seit Jahren zu einem gesellschaftlichen Problem entwickelt. Sie beeinflussen das Privatleben der Betroffenen, ebenso wie ihre Produktivität bei der Arbeit. Chronische Erkrankungen erhöhen zudem die Kosten für das öffentliche Gesundheitssystem und die Krankenkassen. Es ist somit ein allgemeingesellschaftlichen Problem, das nicht nur die unter chronischen Schmerzen leidenden negativ beeinflusst. Dementsprechend groß ist – oder sollte – das Interesse sein, chronischen Schmerzen und ihren Ursachen auf den Grund zu gehen.
40 Prozent der Deutschen haben eine chronische Erkrankung
In Deutschland leiden derzeit rund 40 Prozent der Menschen unter einer chronischen Krankheit, bei Frauen liegt die Quote bei 43 Prozent, bei Männern bei 38 Prozent. In der Altersgruppe 65+ liegen diese Prozentsätze deutlich höher. Als chronische Krankheiten gelten all diejenigen, die andauernd sind und nicht vollständig geheilt werden können. Eine eindeutige Definition für chronische Krankheiten gibt es aber nicht. Einige von ihnen sind offensichtlich, andere unsichtbar, was das Leben für die Betroffenen schwer machen kann, da sie beispielsweise gezwungen sind, ständige Abwesenheit vom Beruf zu erklären. Sie sehen ja nicht krank aus, haben aber beispielsweise so starke Schmerzen oder Erschöpfungszustände, dass sie das Bett an manchen Tagen nicht verlassen können. Manche sind lebenslang auf medizinische Betreuung angewiesen.
Zu den in Deutschland am meisten verbreiteten chronischen Krankheiten gehören Diabetes, Asthma, Allergien, Depressionen, muskuloskelettale Erkrankungen und Rheuma. Auch Krebserkrankungen fallen in diese Kategorie. Chronische Erkrankungen entwickeln sich meist schleichend und können über eine lange Zeit unbemerkt bleiben. Laut Robert Koch Institut gehören chronische Erkrankungen zu den gesundheitsökonomisch bedeutendsten Gesundheitsproblemen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt zwei von drei Todesfällen auf chronische Erkrankungen zurück. Viele treten dabei erst im Erwachsenenalter auf. Auslöser können dabei neben mangelnder Bewegung, der Ernährung oder Risikofaktoren wie Rauchen, auch psychische, wirtschaftliche und soziale Probleme sein. Das ist seit langem bekannt. Und genau hier setzte die zitierte Studie an und erbrachte den Nachweis, wie Einkommensstress die Gesundheit negativ beeinflussen kann.